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Heldin des Alltags: Vera Aebi

Aktualisiert: 7. März

[ Heldinnen-Porträt Oktober 2022 ]


[ MutAnstifterei I Interview am 14.09.2022 ]



Heldinnen-Affirmation:


Lebe dein Leben en Couleurs. Folge den Impulsen Des Herzens.

Jeder Mensch ist facettenreich & schillernd. Du bestehst aus so viel mehr Talenten & Stärken, Passions & Interessen, als denen, die im Moment dein Leben prägen. Gib auch den anderen Facetten in dir Raum zum Sein. Und lausche, was dein Herz dir flüstert.

 

Vera Aebi ist mir recht vertraut. Genau genommen, begleite ich sie beziehungsweise begleitet sie mich schon mein ganzes Leben lang, seit ihrer Geburt im Jahr 1980. Ob ich trotz all der Nähe zu ihr wohl die Metaperspektive wahren und auch ihre ureigene Heldinnenessenz herauskristallisieren kann? Wie das wohl rauskommt, ein Heldinnenporträt über sich selbst zu schreiben? Und ist es nicht vermessen, sich selbst als Heldin zu bezeichnen?

Für mich ist es die logische Konsequenz und eine sehr stimmige Schlussfolgerung aus der Entscheidung, die Porträtreihe «Heldinnen des Alltags», die seit nunmehr zwei Jahren mein Leben konstant mitgeprägt hat, auf Oktober 2022 zu beenden. Vielen heldinnenhaften Frauen durfte ich eine Bühne schenken und mich von ihnen, ihrem Engagement für das grössere Ganze und ihren Heldinnenkräften inspirieren lassen (und hoffentlich auch andere damit inspirieren).


Nun stelle ich mich selbst auf die Bühne. Denn für mich trägt jede:r eine Heldinnenessenz in sich. Nicht jede:r lässt sie in gleichem Masse strahlen. Und doch ist der Funke in jeder:m angelegt. Frauen tendieren dazu, ihre Essenz als selbstverständlich wahrzunehmen, und stellen diese oftmals nicht ins Spotlight. Auch darum diese Heldinnen-Reihe: Um Frauen dazu anzustiften, sich mutig selbst auf die Bühne zu stellen. Daher dieses Heldinnen-Porträt: Mit gutem Beispiel voran ...


Vera’s Heldinnenessenz besteht meiner Wahrnehmung nach darin, die verschiedenen Facetten ihres Seins immer wieder neu zum Ausdruck bringen zu können. Sie passt den eigenen Weg Herzensstimmen-konform an und bahnt sich ihren persönlichen Pfad authentisch und as-unusal. Vera webt ausserdem kontinuierlich Fäden zwischen Individuen, Themen und Bereichen, um ein zukunftswürdiges Netzwerk des Lebens für alle (Lebewesen) zu knüpfen. Und lässt sich immer mal wieder bewusst zwischen die Maschen fallen, um in die Tiefe zu tauchen und auf dem Grunde Essenzen, Quer-Verbindungen & Wesentliches aufzuspüren.



Liebe Vera, wenn ich mir deine Heldinnen-Affirmation «Lebe en Couleurs» und deinen Lebenslauf ansehe, dann scheint dieser Spruch 1:1 auf dein Leben zugeschnitten zu sein:

Du hast Medienwirtschaft studiert, währenddessen ein Studienjahr auf einer Filmhochschule in Frankreich verbracht und das Studium mit einem deutsch-französischen Doppel-Diplom abgeschlossen. Du hast in der Marketing-Kommunikation bei einem ökologischen Forschungsinstitut und im Fairtrade-Sektor gearbeitet und dich parallel in Kommunikation & Bildung für nachhaltige Entwicklung weitergebildet. Du hast ein Work & Travel/Wwoofing- & Weiterbildungsjahr in Australien und Chile eingelegt und danach in der Schweiz ein neues Zuhause gefunden. Anschliessend hast du im Rahmen personeller Entwicklungszusammenarbeit drei Jahre in Honduras verbracht, bist zu einer Familie gewachsen und in die Schweiz zurückgekehrt, warst in der Eventbranche aktiv und für ein Startup im Bereich Kollaborative Workspaces tätig. Du hast dich von der Medienwirtin weiterentwickelt zur Happiness Trainerin & Wildnispädagogin und stehst aktuell in der Quereinsteiger:innen-Ausbildung zur Floristin. Ein CV, den so manche als «bunten Hund» bezeichnen würden, andere als «nicht-geradlinigen Lebenslauf mit Brüchen und Sprüngen» und im HR-Bereich wird in diesem Fall von einer Mosaik-Karriere gesprochen.


So ein Leben mit dauernder Veränderung stelle ich mir anstrengend vor. Wie erlebst du denn das?

Der Spruch «Lebe en Couleurs» ist mir in der Tat wie auf den Leib geschnitten. Nicht umsonst war das bei der Gründung der MutAnstifterei ein Leitgedanke von mir. Wen wundert’s also, dass die MutAnstifterei von Anfang bis heute ebenfalls mehrere Neu-Positionierungen und Fokus-Loops erfahren hat. So ist auch innerhalb der jeweiligen Tätigkeiten bei mir meist viel in Bewegung. Der Kern ist zwar immer ähnlich, aber die Fokusthemen sind jeweils andere. Das beschreibt recht treffend, wie mein Leben verläuft: In Bewegung! Das bin ich. Das macht Leben für mich abwechslungsreich und spannend. Ich war schon immer ein neugieriger und wissbegieriger Mensch und habe Freude daran, Neues zu lernen, habe Lust am Lernen und Entdecken und bin definitiv eine Inspirations-Seekerin, insbesondere, wenn es um Inspiration und Impulse für eine 7-Generation-würdige Zukunft geht. Seit einiger Zeit weiss ich, dass es dafür sogar einen Begriff gibt: «Multi-Passionate-Natur» (aka Scanner, aka Tausendsassa, aka Neo-Generalist:in, aka Vielbegabte).


[ So viele Interessen. Spannend auf der einen Seite – herausfordernd auf der anderen Seite. ]

Logischerweise ist das nicht immer das reinste Zuckerschlecken. Denn dieses ständige in Bewegung sein bedingt konstant Flexibilität, Anpassung und Einarbeitung in neue Kontexte ebenso wie das Loslassen von Bestehendem, um Raum für anderes zu schaffen. Das empfinde ich in wiederkehrenden Wellen immer mal als ziemlich herausfordernd. Denn während andere vertieft bei der Sache bleiben, habe ich schon längst wieder einen leckeren, anderen Nektar entdeckt und fliege zur nächsten Blüte, um davon zu kosten. Im Gegenzug besteht mein Nektar-Potfleuri dadurch aber auch aus vielfältigen, unterschiedlichen Duft- und Geschmacksnoten, die ich dann wiederum zu neuen, biodiversen Kompositionen zusammenstellen kann. Ich bewege mich in unterschiedlichen «Bubbles» an Themen, Menschen und Tätigkeiten und genau das ermöglicht mir, andere Perspektiven in die jeweilige «Bubble» hineinzutragen, Schnittmengen wahrzunehmen und Verbindungen im Raum dazwischen zu weben.


[ Erfolgscontrolling & Wirkungsmessung – nicht in jedem Setting erfolgsversprechend. ]

Was mich in diesem Zusammenhang allerdings beschäftigt, ist die Frage nach der Wirkung, die ich durch mein Tun erziele. Denn ich bin eine Impact-driven Person, der es wichtig ist, einen Wandel in der Welt mitzugestalten. Oft bin ich jedoch bereits weitergezogen, bevor ich die Früchte meiner Tätigkeiten heranreifen sehe (geschweige denn ernten kann). Wenn ich dann mal wieder gefrustet bin, dann hilft mir ein konkretes Bild, das mir einmal als Impuls in einer Meditation kam. Ich bin dort in Form eines bunt gefiederten Vogels durch einen unglaublich artenreichen Urwald mit uralten Bäumen und fantastischen, exotischen Pflanzen geflogen, habe mal hier, mal dort leckere Früchte genascht und zwischendurch das Verdaute auf dem Boden verteilt. Und die Stimme aus dem «off» meinte: Das, was du hier siehst und zu dir nehmen kannst, wurde von denen gesät, die vor dir auf diesem Fleck Erde gelebt haben. Du wirst heute von dem getragen und ernährt, was andere für dich angelegt haben. So hinterlässt auch du Samen für die Nachwelt, auch wenn du deren Aufgehen in deinem eigenen Lebenszyklus nicht mehr mitbekommen wirst. Vor diesem Hintergrund gesehen lassen sich also so manche Tätigkeiten nicht in Erfolgskennzahlen beziffern oder überhaupt benennen (zumindest nicht in wirtschaftlich relevanten Perioden). Das versuche ich mir so oft wie möglich vor Augen zu halten.


So wie es sich anhört, wird diese Multi-Passionate-Natur von anderen nicht immer als positiv wahrgenommen?

Zumindest entspricht es nicht dem, was allgemein in Gesellschaft und im Job als «Standard» gilt. Gerade in der Arbeits- und Wirtschaftswelt sind lineare Karrieren, bei denen eine Expertise stringent auf der vorherigen aufbaut, nach wie vor die Regel. Alles andere ist Ausnahme. Finde mal als Quereinsteiger:in einen Job. Normalerweise werden solche CV’s schon in der ersten Runde (oder durch einen CV-Scann-Algorithmus) aussortiert, weil sie eben nicht langjährige Erfahrungen in einem Bereich aufweisen (dafür aber vielleicht ganz neue Querverbindungen und andere spannenden Konzepte hineinbringen könnten). Das macht es für einen selbst natürlich auch nicht gerade leichter, einen Switch hin zu einem anderen Tätigkeitsbereich zu machen. Wie lange habe ich nicht mit mir gehadert, ob ich auch wirklich mein Studium und all meine Erfahrungen in der Marketing-Kommunikation auf die Bank legen soll, um nochmal (gefühlt) komplett von vorne zu beginnen mit den Ausbildungen zum Happiness Training & zur Wildnispädagogik. Doch letztlich fängt «mensch» ja nie neu an. Wir bauen immer auf dem auf, was schon da ist und unser Leben lange geprägt hat. Das musste ich mir erstmal klar vor Augen führen, um diesen Schritt zu gehen.

Auch gibt es in der heutigen Arbeitswelt (noch) zu wenig Strukturen, die solch einem Portfolio-Charakter gerecht werden (Anm: mehrere Tätigkeiten/Jobs parallel in Teilzeitpensum). Teilzeitjobs in niedrigen Pensen (<60%), (Top-)Job-Sharing oder Projektbezogenes Arbeiten/Terminierte Mandate wären beispielsweise entsprechende Möglichkeiten.

[ Von Streberin zu Bäumchen-Bleib-Doch-Endlich-Mal ... ]

Mein Umfeld hat meine vielfältigen Passionen zum Glück mit einem Augenzwinkern und unter dem Vorzeichen Paradiesvogel verbucht bzw. mit Aussagen goutiert wie «Wow. Du erfindest dich ständig neu.». Doch das hätte auch anders sein können: Sehr oft wird Wissbegierde und Neugierde als Strebertum abgetan (und ja: Ich setze mich heute noch bei Vorträgen & Events in die erste Reihe und steh dazu). Multi-Passionates kämpfen zudem oft mit dem Vorwurf, nichts zu Ende zu bringen und ständig zu wechseln, obwohl sie einfach halt schon früher als andere genug von immer demselben Nektar haben. Da kommt es darauf an, wie jede:r dies für sich verortet. Ich war des Öfteren mit mir deswegen im Klinsch. Weil ich sehr lange die vielen positiven Seiten an diesem Dasein nicht gesehen habe. Genau daher ist es mir ein Anliegen, das zu thematisieren und Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es auch andere Lebensentwürfe gibt – vor allem, dass diese anderen Lebensmodelle das Bild der Normalität durch ihre Qualitäten bereichern und ganzheitlicher machen.


Du hast erwähnt, dass es dir nicht leicht fiel, den Schritt von der Medienwirtin zur Happiness Trainerin & Wildnispädagogin zu vollziehen. Warum wolltest du denn überhaupt in eine andere Branche wechseln?

Das Studium der Medienwirtschaft habe ich gewählt, weil ich etwas tun wollte, das mir selbst Freude bereitet und bei dem ich meine Talente einbringen und vertiefen kann. Gleichzeitig aber auch mit dem, was ich tue, etwas beitrage zu einem Wandel in dieser Welt. Ursprünglich wollte ich eigentlich etwas im Bereich Ökologie studieren, damals gab es aber hauptsächlich naturwissenschaftliche Studiengänge in diesem Themenfeld. Das hat mich nicht interessiert, denn meine Stärken liegen in der Kommunikation. Mein zentraler Motivationstreiber zu Studienzeiten und bei meinen ersten Bewerbungsprozessen war, das Thema Nachhaltigkeit raus aus der Öko-Nische zu holen und mit beizutragen, dass es ein positiv konnotiertes, gesellschaftliches Standing bekommt und alltagstauglich und -gebräuchlich wird. Quasi ein neues Narrativ zum Thema Nachhaltigkeit. Denn vor 25 Jahren wurde Nachhaltigkeit eher mit dem Image «Öko = uncool» assoziiert und als sperriges wissenschaftliches Konstrukt empfunden. Nun ist das Thema längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Parallel dazu hat sich der Bereich Medienwirtschaft/Marketing-Kommunikation extrem gewandelt. IT und digitale Plattformen waren zwar ein Thema, doch die heutige Bandbreite an Digital Marketing & Social Media gab es natürlich noch nicht. Heutzutage nicht wegzudenken aus der Branche. Doch für mich sind das definitiv nicht die Themen, mit denen ich mich tagtäglich beruflich beschäftigen möchte (auch wenn ich natürlich ebenfalls Social Media & Digitale Tools nutze).


[ Verbunden mit sich selbst, mit anderen und der Natur. ]

Mir ist das Face-to-Face-Miteinander ein zentrales Anliegen, weil dort nochmal eine ganz andere Qualität untereinander entstehen kann. Ausserdem sind wir mittlerweile so viel digital unterwegs, dass unsere Augen ja schon ganz viereckig sind. Mal ganz abgesehen, was das Social Media Life für Auswirkungen auf unser Selbstbild – und unsere Zeitkapazitäten hat. Daher möchte ich gerne «Inseln» schaffen, wo sich Menschen wieder authentisch begegnen können (sich selbst gegenüber und anderen), in Verbindung treten und Kreiskultur erleben. Wo Sein statt Schein zählt. Das ist auch der zentrale Grund, warum ich zum Happiness Training (in Verbindung mit Wildnispädagogik) gewechselt bin. Denn in der Medien- & Marketingwelt zählt allzu oft der Schein und das, was am meisten Aufmerksamkeit erregt (auch wenn dafür tief im Sumpf gewühlt werden muss). Beim Happiness Training und der Wildnispädagogik geht es um Wertschätzung und Menschenwürde (Basis der positiven Psychologie). Um Wesentliches im Leben und Leben mit Tiefgang. Um die tragenden Säulen, die wir brauchen, um unser Leben als erfüllt zu erleben. Die spüren wir nur, wenn wir in Verbindung sind mit uns selbst. Erst wenn wir mit uns selbst im Frieden sind, können wir auch in gegenseitig bereicherndem Austausch mit anderen sein. Und das, was unsere Leuchtkraft ist, in die Welt strahlen lassen. So ist «Verbunden mit sich selbst, mit anderen und der Natur» auch der Leitstern, der mich bei der MutAnstifterei trägt.



Da sich immer wieder Dinge ändern bei dir ... was hat sich zuletzt massgeblich geändert in deinem Leben?

Das war wohl die Entscheidung eine seit Kindheitstagen in mir schlummernde (bisher noch nicht wirklich gelebte) Passion in mein Leben zu integrieren und eine Quereinsteigerinnen-Ausbildung zur Floristin zu machen. Definitiv eine Herz-Entscheidung. Denn des Geldes wegen oder flexibler Arbeitsbedingungen entscheidet sich sicher niemand für diesen Beruf.


Das heisst, du möchtest jetzt als Floristin arbeiten und lässt wieder mal alles andere hinter dir?

Nein, ganz so radikal werde ich diesen Schritt nicht vollziehen. Die MutAnstifterei wird nach wie vor eine Konstante in meinem Leben bleiben (zumindest für’s Nächste). Aber ich möchte mit der Floristik mein Job-Portfolio um eine weitere Facette bereichern – und damit ausserdem auch noch mehr Raum für das Sinnliche, das Haptische, das Hand-Werkliche, Raum für Farben, Texturen, Düfte und deren Zusammenspiel schaffen. Für mich ist die Floristik wie ein schillerndes, neues Blütenblatt, das die Blüte meines Lebens bereichert. Anbindung an mein anderes Tun ist auf alle Fälle da. Denn ich möchte mein Leben in Schönheit gehen ... und Blumen sind vielfältige Schönheiten, jede auf ihre Art. So wie auch jeder Mensch (s)eine Schönheit in sich trägt ... mit der MutAnstifterei möchte ich ja auch dazu anstiften, diese Schönheit für sich zu entdecken und zu leben. Und natürlich zieht sich ebenso der rote Faden der Naturverbundenheit durch alles, was ich tue. Das ist eine der grundlegenden Essenzen, die alles trägt in meinem Leben.


Es gibt also doch einen roten Faden bei dir?

Na klar gibt es den. Bestimmte Bereiche und Elemente prägen mein Leben schon seit anno dazumal. Naturverbundenheit ist so etwas – ebenso wie das urgründige Wissen indigener Gemeinschaften, das mich schon seit Jugendzeiten interessiert. Meine Tätigkeiten sind ausserdem immer in irgendeiner Form verknüpft mit den Gedanken nachhaltiger Entwicklung. Ich möchte lebenszugewandt wirken – lebensstiftend. Abwechslung und Veränderung sind ebenfalls konstante Begleiterinnen in meinem Leben. Konstanten und Veränderungen – beides gehört zum Leben. Beide Pole bedingen einander, damit das Leben – damit mein Leben in Balance bleibt. Und ... ich liebe Schönheit – im Aussen wie im Innen. Das bezieht sich jedoch nicht auf das Schönheitsideal, das in unserer Gesellschaft präsent ist. Schönheit hat für mich – wie so vieles – unterschiedliche Facetten. Schönheit ist für mich eine innere Haltung, die sich im Aussen widerspiegelt. Meinen Weg in Schönheit zu gehen bedeutet mir, dass ich durch mein Tätigsein die Welt zu einem lebenswerte(re)n Ort für alle mache. Und es impliziert, dass ich gemäss der goldenen Regel lebe «Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu.» Schön ist für mich, wenn es authentisch ist. Wahrhaftig. Lebenszugeneigt. Dem eigenen Wesen entsprechend. Den Blick auf’s Schöne zu lenken, ... das prägt vieles von dem, was ich tue. Und dann gibt es natürlich auch Bereiche und Themen, die in einer bestimmten Lebensphase eine zentrale Rolle bei mir gespielt haben – Reisen und die Welt & andere Kulturen entdecken zum Beispiel. Aktuell steht das weniger im Vordergrund. Dafür anderes. So hat jede Lebensphase ihren eigen roten Faden in itself.

Auch wenn jede Lebensphase ihren eigenen Kern hat. Was würdest du sagen, welche Lebensphase – welche Momente in deinem Leben haben dich besonders geprägt?

Da gibt es immer wieder diese kleinen Momente, diese kurzen Augenblicke, an die ich mich noch Jahre danach erinnere. Von den grossen Momenten sind es vor allem die Zeiten, die ich im Ausland verbracht habe, die bei mir tiefe Spuren hinterlassen haben (und zwar die, bei denen ich längere Zeit an einem Ort gelebt habe und in den dortigen Alltag eingebunden war). Ich bin mit einem völlig neuen Blick zurückgekehrt, dankbar für so vieles, was für mich «daheim» ausmacht – und gleichzeitig angefüllt mit neuen Impulsen, wie Dinge auch anders gemacht, gesehen, erlebt werden können. Das hat mich Weichheit gelehrt gegenüber Anders-Machertum ... die Grenze der Akzeptanz ist für mich allerdings immer noch dann erreicht, wenn die Freiheit und das Tun des Einzelnen das Gemeinwohl beeinträchtigt. Da sehe ich noch einen long way to go für unsere aktuelle Gesellschaft, in der Individualismus & Ich-Kultur hoch im Kurs stehen.

Die Erfahrung Mutter zu werden, war ebenso Glücksüberbordend und taff zugleich. Auf einmal für ein kleines Wesen verantwortlich zu sein und die eigenen Bedürfnisse, insbesondere mein ausgeprägtes Autonomiebedürfnis, zunächst konstant (gefühlt immer!) hinten anzustellen hat genau diesen Balanceakt zwischen Ich und Verantwortung für das Gegenüber verlangt.

Und dann gab es zwei weitere sehr prägende Momente in meinem Leben. Beide schmerzvoll. Beide mit Trennungen verbunden (privat wie beruflich). Dort habe ich das Loslassen zwangsweise gelernt.


Also auch nicht immer alles «Friede-Freude-Happiness»-Flow in deinem Leben?

Natürlich. C’est la vie. Das Leben besteht aus Polaritäten – und beides brauchen wir. Die Glücksmomente ebenso wie Momente des Schmerzes und der Trauer. Meist sind genau diese (letztere) besonders transformativ. Mir jedenfalls haben diese schmerzvollen Erfahrungen gezeigt: Eine Welt ging unter. Eine neue hat sich mir eröffnet. Ich habe erlebt, dass sich hinter jeder Welt, die für einen untergeht, Türen zu neuen Welten aufstossen. Jedoch erst, nachdem die Welt sich mit einem riesigen Knall und verbunden mit einem langwierigen Prozess und grossem Chaos in Luft aufgelöst hat. Das hat mich jeweils abrupt und schmerzvoll auf mich selbst zurückgeworfen. Grössere Persönlichkeitsentwicklungs-Sprünge als in diesen Zeiten hat mein Leben nicht gesehen. Freiwillig wäre ich nicht gesprungen. Logischerweise. Rückblickend bin ich dankbar dafür. Denn jeder Tod, den wir sterben, ist der Nährboden für Neues.


Warum dann also Happiness Training?

Zugegeben, lange habe ich mit dem Begriff gehadert. Weil er eben genau besagtes «Friede-Freude-Eierkuchen»-Gefühl vermittelt. Immer happy sein. Geht nicht. Und doch würden wir es alle gern wollen. Denn klar streben wir danach, unser Leben mit positiven Erlebnissen und Empfindungen zu füllen. Keiner fügt sich absichtlich Schmerz zu (oder zumindest die wenigsten). Beim Happiness Training geht es vor allem darum, den Blick auf das Schöne im eigenen Leben zu richten (das lässt sich wirklich trainieren), und die tragenden Grundsteine auszumachen, die «mensch» braucht, um das eigene Leben als erfüllt zu erleben. Das sieht bei jeder:m etwas anders aus; grundlegende, glücklichmachende Bausteine gibt es aber. Herausfordernde Momente spült einem das Leben so oder so vor die Füsse. Doch, wie ich damit umgehe (Stichwort: Resilienz) und ob ich prinzipiell in meiner Balance und geerdet bin (also in meiner Kraft bin), diese Brücke schlägt Happiness Training. Dazu gehört natürlich, sich immer wieder bewusst zu werden, was gerade für mich wichtig ist. Denn, wie bereits gesagt, verändern sich bestimmte Prioritäten im Leben und dann braucht es Justierung in der Life-Balance (viele kennen den Begriff eher als Work-Life-Balance, was mir jedoch nicht entspricht, weil es Work und Life voneinander entkoppelt). Life Design ist dafür beispielsweise eine wunderbare Methode, um die Puzzleteile des eigenen Lebens immer wieder so zusammenzusetzen, dass das (Lebens-)Bild für einen stimmig ist.


Wie äussert sich das bei dir, wenn deine Life-Balance aus dem Gleichgewicht geraten ist?

Dann bin ich unausgeglichen, reagiere schnell genervt und bin keine besondere Wohltat für mein Umfeld. Dann versprühe ich Stinkewolken statt meinen Weg in Schönheit zu gehen. Meist passiert das, wenn ich mir zu wenig Slowdown-Möglichkeiten oder Zeit für mich einräume. Das ist der Gegenpol, den ich bei all meiner Bewegungsfreude & meinem Aktivismus brauche, um selbst im Lot zu bleiben. Und daher auch das dringende Plädoyer an euch da draussen (vor allem an alle lieben Frauen, die in fürsorglicher Manier ihre eigenen Bedürfnisse (zu) oft hinten anstellen): Lieber einmal zu viel für euch Selbstfürsorge betreiben und für eure Bedürfnisse laut werden als zu wenig. Denn letztlich kommt es eurem Umfeld auch nicht zugute, wenn ihr eure eigenen Bedürfnisse konstant zur Seite schiebt und dann Stinkewolken produziert.


Was hilft dir in solchen Momenten persönlich, damit sich diese Stinkewolken wieder in Luft auflösen – um es mit deinen Worten auszudrücken?

Ein Gang in die Natur. Das erdet unglaublich und hilft mir, mich wieder «zu grounden». Das hängt sicher zum einen damit zusammen, dass ich als Luft(iges) Wesen die Bodenhaftung suche, um verwurzelt zu bleiben. Zum anderen trägt der Biophilia-Effekt garantiert einen guten Teil dazu bei, dass ich dort runterfahren kann. Denn in der Natur wird der Parasympathikus im Gehirn angeregt, der für Ruhe, Regeneration und Entspannung zuständig ist und die Farbe Grün harmonisiert zusätzlich.

Vorbeugen, dass ich aus der Balance kippe, kann ich ausserdem, indem ich bewusst Zeiten einplane (und diese auch als solche in der Agenda blockiere), in denen ich nichts plane bzw. Zeiten, die ich für mich und mit mir selbst verbringe.

Weiterhin gehe ich seit geraumer Zeit stark mit Zyklisch Leben in Resonanz und versuche dieses essentielle Prinzip of life wieder bewusst zur Basis meines Lebens zu machen.


Zyklisch Leben – was kann ich mir darunter vorstellen? Dabei steht dann ja wahrscheinlich der weibliche Monatszyklus im Zentrum?

Die Mondzeit jeder Frau ist eine (von mehreren) Möglichkeit, um damit in Kontakt zu kommen. Im Prinzip unterliegen aber alle Menschen zyklischen Kreisläufen. Schlicht und einfach, weil alle Menschen Teil der Natur sind und diese nun mal zyklisch tickt. Beim Leben nach zyklischen/Kreislauf-Prinzipien geht es darum, die verschiedenen Phasen des Gesamtzyklus zu kennen, bewusst wahrzunehmen und auch alle vier Phasen zu durchlaufen. Aktuell verläuft unser Leben meist in den ersten beiden Phasen des Zykluskreis, die mit Aufbruch, Machen & Tun verbunden sind. Die anderen beiden Zyklusquadranten, die für Regeneration, Verbundenheit & Innehalten stehen, bekommen verhältnismässig zu wenig Raum. Aus dieser Disbalance entstehen unterschiedliche Schieflagen – persönlich (wie steigende Burnoutraten), wirtschaftlich (wie einseitige Orientierung an Leistungssteigerung) und gesellschaftlich/globalhaft gesehen (wie Übernutzung natürlicher Ressourcen). Eigentlich lebt uns die Natur vor, wie es geht. Wir müssten uns nur wieder als integrativer Teil von ihr verstehen und das Ganze mit-leben.


Ich merke, dass dir dieses Thema sehr aus dem Herzen spricht. Nicht umsonst hast du dazu ein Buch geschrieben, das am 01. November veröffentlicht wird. Gibt es einen Grund dafür, dass das Buch um Halloween herum erscheint?

Halloween an sich spielte dabei keine Rolle. Das Totenfest unserer keltischen Vorfahr:innen – Samhain – hingegen schon (by-the-way: der uralte Vorläufer von Halloween, dieses Fest wurde von der katholischen Kirche später als Allerheiligen assimiliert – ist als Feiertag damit aber weiterhin den Ahn:innen gewidmet). Denn für unsere Vorfahr:innen begann das neue Jahr mit diesem Fest und nicht wie von Julius Cäsar anno dazumal festgelegt mit Jahresbeginn zum 01. Januar. Im Zyklus startet alles Leben aus der Dunkelheit heraus, aus der Ruhe und aus dem Absterben von Altem, das Platz macht für das Neue, das sich gebären will. Mal ganz abgesehen davon, lässt sich mit Büchern wunderbar in die Dunkelzeit – die stillere und geruhsamere Jahreszeit abtauchen. Und damit könnte der Zeitpunkt nicht passender sein für ein Buch, das dafür plädiert, im eigenen Leben wieder (mehr) dem Nichtstun & dem Müẞiggang zu frönen. Um den Raum zu öffnen für die leiseren, feinen Töne, die sonst im Getöse des Alltags untergehen.